Schweigen – Meine Tage in Stille

Hier sitze ich nun bei meinem zweiten Kaffee, mein Bauch grummelt bereits und ich habe keine Ahnung worauf ich mich einlasse: Drei Tage in Stille, im Einklang mit der Natur und wieder Zeit zu haben um „nur“ zu sein.

Noch ist es nicht soweit und der Abschied von meinem Smartphone fällt doch schwerer als angenommen, ich tippe parallel auf Facebook, via Sms, E-Mail und WhatsApp und spüre welcher Stress in mir entsteht.

Mein Telefon zickt seit Tagen herum, wann hatte ich es das letzte Mal ausgeschaltet? Nein, nicht im Flug-oder Lautlos-Modus, sondern „off“? Ich erinnere mich nicht mehr, vielleicht tut eine Pause ja uns beiden doch ganz gut.

Zwei Stunden später sitze ich in einer wunderbaren Hütte in den Bergen mit 20 anderen. Nach dem Abendessen werden die Tagesabläufe bekannt gegeben und dann wird bald das Licht gelöscht. Ich finde mich nicht sehr gut zu Recht, meine Augen sind wohl noch in der Grossstadt und müssen sich an das Kerzenlicht gewöhnen. Die erste Nacht im Schafsaal kam mir unendlich lange vor. Es war stockdunkel und erschreckend ruhig. Ich war erleichtert als um 05:30 die Glocke erklang und ich mich zu den Waschbecken tastete. Das eiskalte Wasser weckte auch jeden meiner noch nicht wurzelbehandelten Zähne.

Wir werden in den kommenden Tagen neun Mal pro Tag sitzen (Anm. der Redaktion: meditieren), für jeweils 25 Minuten, manchmal eine gefühlte Ewigkeit und dann wieder wie ein kurzer Ausflug ins Paradies. Ich spüre wie ich von Augenblick zu Augenblick mehr ankomme und im Hier bin, mir die Menschen um mich herum nahe sind ohne sie zu kennen. Die Arbeit wird ver- und geteilt und die Gemeinschaft trägt alle liebevoll. War um ich das hier betone?

Das Schweigen, mit sich alleine sein, die Stille und die Dunkelheit – mein Ticket für eine Hochschaubahnfahrt, doch mit den anderen als Sicherheitsnetz in dieser intensiven Zeit. Ich erinnere mich an einen meiner schönsten Urlaube als Kleinkind, ich spielte stundenlang mit einem Mädchen, wir wechselten kein Wort und fühlten uns so nahe.

Meine Sinne sind geschärft und nach den verrichteten Arbeiten – was wollte mir das Universum wohl sagen als ich die Karte für das Putzen der Dusche (ja es gibt nur eine) und Toiletten zog? – schmeckt das Essen so wunderbar, und ich esse und geniesse, sonst nichts, ohne Smartphone in der Hand.

Am selben Tag beginnt mein Körper zu rebellieren, ich spüre eine unbeschreibliche innere Hitze und habe das Gefühl mein Kopf explodiert, gottseidank werden um 21:30 die Kerzen gelöscht. Die Nacht beschert mir wilde Träume.

Als ich am nächsten Morgen aufwache fühle ich mich leichter und mein Kopf entrümpelt, also doch eine Detox für den Kopf?!

Ich möchte diese Ruhe beibehalten und erkenne wie viel Unnötiges ich doch so oft von mir gebe und welchen Stress ich mir teilweise selbst bereite – Nein, ich muss nicht innerhalb von Minuten sämtliche Mails und Nachrichten beantworten und Nein, ich muss nicht liken und kommentieren – nach Sprechen ist mir nicht mehr. Den anderen ergeht es scheinbar ähnlich. Am Ende unserer drei Tage sitzen wir nach der Aufhebung des Schweigens still da und benötigen lange bis der Erste das Schweigen bricht – man kann scheinbar nicht nur die Wohnung entrümpeln und danach die Freiheit fühlen!

PS: Mein Smartphone hat sich etwas erholt und zickt ab und an, in diesen Moment möchte es mich wohl an das „Abschalten“ erinnern – Danke!

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Belinda ist Yoga-Lehrerin in Wien. Sie hat sich dem Ashtanga-Yoga verschrieben und hat nach ihrer Ausbildung bei der Yoga Alliance Zeit in Indien verbracht und dort Unterricht von Sharath R. Jois im Shri K. Pattabhi Jois Ashtanga Yoga Institute absolviert. Belinda kocht mit Leidenschaft, designt eine Taschenlinie, versucht jeden Moment zu geniessen und hat ihr Leben gerne bunt.

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